Düsseldorf, Donnerstag, 3. Mai 2001
Ich komme zu:
4. Keine Einschränkung von Parlamentsrechten - über die Ergebnisse des
Sonderbeauf-
tragten für Sicherheitsfragen im Justizvollzug Nordrhein-Westfalen muss konkret
berichtet werden
Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der F.D.P.
Drucksache 13/1118
Vizepräsident Dr. Helmut Linssen: Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Herr Sichau.
Frank Sichau (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und
Herren! Es geht, wie gerade von beiden Vorrednern gesagt worden ist, um den
Abschlussbericht des Sonderbeauftragten Manteuffel aus dem Juni 2000. Grund der
Sicherheitsanalyse - so steht es zumindest als Begriff in diesem Abschlussbericht - war
meines Erachtens das Informationsbedürfnis des seinerzeit neuen Ministers, nicht zahlreiche
Zwischenfälle. Gott sei Dank sind wir heute - und das schon seit einiger Zeit - auf einem
Tiefstand von Zwischenfällen. Das, Frau Kordowski, worüber Sie gerade berichtet haben,
sind bedauerliche Einzelfälle, die wir im Rechtsausschuss eingehend diskutiert haben,
(Zuruf der Gabriele Kordowski [CDU])
wo Sie auch die Zusammenhänge und die Hintergründe haben zur Kenntnis nehmen können.
Das, was Sie hier gesagt haben, war ausgesprochen interessengeleitet und verkürzt. Wir
haben Ihnen das auch im Rechtsausschuss gesagt, aber die Lernfähigkeit ist zuweilen
ausgesprochen begrenzt.
(Zuruf von der CDU: Frechheit!)
Es ist nicht nur berichtet worden, der Bericht selbst liegt sogar vor. Also, von wegen
Einschränkung! Sein Fazit - ich denke, dieses Fazit kann man in diesem Hause zitieren -:
"Das bestehende Sicherheitskonzept der Justiz in NRW hat sich bewährt."
Das ist keine Aussage des Ministers, sondern die des Sonderbeauftragten, und sie ist in dieses
justizpolitische Programm 2000 bis 2005 übernommen worden.
(Gabriele Kordowski [CDU]: Das dürfen Sie nicht zitieren aus dem Bericht! - Zuruf
von der CDU: Das dürfen Sie nicht! - Gegenruf des Ministers Jochen Dieckmann: Ich habe
den doch selber zitiert!)
Dies ist von Ihnen so als Fazit aus dem justizpolitischen Programm zitiert worden. Ich denke,
dieses Fazit ist auch zitierfähig.
(Beifall bei der SPD)
Dann steht dort auch:
"Den nordrhein-westfälischen Justizvollzug zeichnet ein jeweils hohes Sicherheits- und
Behandlungsniveau aus."
Auch das haben Sie im Grundsatz gesagt. Allerdings ist eine fortwährende Anpassung an den
sicherheitstechnischen Fortschritt erforderlich, eine Binsenweisheit, die wir in unserer
Ausschuss- und auch Vollzugskommissionsarbeit immer wieder zur Kenntnis genommen
haben, weil es hier natürlich um eine Menge Geld geht, welches in die Hand genommen
werden muss. Denken Sie nur an die Herstellung von Mangangittern in Kleve, die anstelle
der Stahlgitter eingebaut werden, die nicht diese Sicherheitsstufe wie Mangangitter haben.
Das zur fortwährenden Anpassung.
Wie strukturell geschehen, haben wir uns überzeugen können in der Justizvollzugsanstalt
Aachen-Neu mit dem zusätzlichen Gitterzaun vor der Mauer. Das gleiche gilt für
Gelsenkirchen, auch wenn wir dort diese Sicherheitseinrichtung noch nicht haben. Das hat
auch mit Personaleinsparungen zu tun, aber das ist bei jedem Produktivitätsfortschritt immer
gegeben.
Dabei muss uns - Frau Kordowski, das haben Sie ebenfalls gesagt, und ich denke, das ist
auch wichtig - allerdings immer bewusst bleiben, dass es eine absolute Sicherheit im
Strafvollzug und auch sonstwo im Leben nicht geben wird, auch wenn insbesondere
Konservative - das gestatte ich mir zu sagen - das oft suggerieren, und wenn es der Klempner
auf dem Wahlplakat der CDU von 1995 war.
(Zustimmung bei der SPD)
Der Bericht mag für die Oppositionsparteien enttäuschend sein.
(Zuruf von der F.D.P.)
Er ist es offensichtlich auch, denn das haben Sie, Frau Kordowski, ganz deutlich gesagt. Herr
Söffing hat da insbesondere auf die verfassungsrechtlichen Aspekte abgehoben. Für uns ist er
keineswegs enttäuschend. Das leitet sich allein daraus her, was an Leitthemen im Fazit
gesagt worden ist. Hier kann man keine Sicherheitslücke herbeireden. Das ist für uns das
Wichtigste in dem gesamten Bericht. Es ist nicht möglich, in Nordrhein-Westfalen
irgendeine Sicherheitslücke für den Strafvollzug herbeizureden.
(Dr. Robert Orth [F.D.P.]: Sie haben eine Wissenslücke!)
- Es geht nicht um meine Wissenslücke. Ich habe doch gerade gesagt, was die Folgerungen
daraus waren. Ich weiß nicht, wo da eine Wissenslücke klafft, aber darauf will ich gleich
gerne im Einzelnen eingehen. Er mag also für die Opposition enttäuschend sein; für uns ist er
es eben nicht.
Eine wichtige Frage ist im Rechtsausschuss schon angeklungen. Sie sei auch hier zu stellen
gestattet, denn sie spielt sicherlich eine Rolle: Suchen die vereinigten Oppositionsparteien
Kampagnematerial?
(Zurufe von CDU und F.D.P.)
Das kann man sicherlich nicht einfach unter den Tisch kehren, denn es gibt einen
Berufungsfall, Frau Kordowski; ich will Ihnen den nennen.
Es gibt die Erfahrung aus dem damals SPD-alleinregierten Brandenburg. Einige kleinere
Sicherheitsmängel in Justizvollzugsanstalten waren im dortigen Rechtsausschuss in
nichtöffentlicher Sitzung konkret bekannt geworden. Sie haben völlig Recht: Das ist der
Konflikt zwischen Information und Missbrauch von Information.
Hier sah die Konsequenz so aus: Drei Tage später war es in der Regionalpresse zu lesen -
nicht auf dem sachlichen Niveau des Rechtsausschusses, sondern entsprechend dramatisiert.
Ich erlaube mir hier zu sagen: Ein Schelm, der Schlechtes dabei denkt!
(Gabriele Kordowski [CDU]: Genau! Deswegen käme es nicht von uns, wenn es in der
Zeitung stünde!)
Im Abschlussbericht werden - und das ist zitierfähig - Niederschriften erwähnt, vorher auch
Einzelberichte. Das haben Sie in die Diskussion eingeführt, und hierum geht es offensichtlich
ganz besonders. Das ist wohl der Casus cnactus, und darauf wird dann einzugehen sein.
Ich gehe davon aus, dass im weiteren Verfahren Herr Minister Dieckmann hierüber
entsprechend berichten wird. Es kann nicht die Rede davon sein, sozusagen
Originalberichterstattungen zu bekommen, sondern es kann meines Erachtens nur um
Berichterstattung durch den Minister im entsprechenden Ausschuss gehen. Dies sage ich vor
dem Hintergrund - darauf möchte ich Sie besonders hinweisen -, dass die Opposition häufig
von übertriebenem Berichtswesen spricht; so bezeichnete es die CDU-Kollegin Opladen in
der vorigen Legislaturperiode. Des Weiteren kritisieren Sie, dass wir uns oft mit Einzelfragen
befassen. Offensichtlich ist das nicht nur eine verfassungsmäßige Problematik - das ist klar -,
sondern ein Problem im Zusammenhang von Erkenntnis und Interesse.
Wir werden uns also in einer der kommenden Rechtsausschusssitzungen mit den 37
Justizvollzugsanstalten dieses Landes und einer Reihe von Zweiganstalten befassen, und das
kann dann sicherlich ein weites Feld sein.
Für uns Sozialdemokraten - das sage ich an dieser Stelle auch - gibt es noch weitere wichtige
Themen für die Rechtspolitik in Nordrhein-Westfalen, z. B. die Organisationsentwicklung
angesichts knapper Ressourcen, das Programm "Justiz 2003", die Fortentwicklung der
gesetzlich vorgeschriebenen Sozialtherapie sowie die anderen Themen, die im
justizpolitischen Programm der Landesregierung für diese Legislaturperiode steht.
Es ist richtig, dass sich auch die Vollzugskommission - damit komme ich zum Schluss -
ständig mit Sicherheitsfragen beschäftigt. Das Justizministerium - ich meine, Herr
Oberstaatsanwalt Ortlieb ist sogar anwesend - geht dieses Thema gemeinsam mit uns an;
Herr Ortlieb nimmt an vielen Besuchen von Justizvollzugsanstalten teil. Auch die Ämter
thematisieren diese Fragestellungen mit der Vollzugskommission.
Über sicherheitstechnische Maßnahmen wie z. B. in der Justizvollzugsanstalt Dortmund ist
ausgiebig informiert worden. Die Sicherheitsaspekte haben auch Eingang in Vermerke und
Berichte der Kommission gefunden. Von daher kann von einer Informationslücke nicht
gesprochen werden, wobei es offensichtlich ein Problem gibt - das sage ich bezüglich Ihres
Zwischenrufes, Herr Orth -, was den Konkretisierungsgrad betrifft. Wir werden das im
Rechtsausschuss näher diskutieren.
Natürlich stimmen wir der Überweisung zu. - Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Vizepräsident Dr. Helmut Linssen: Vielen Dank, Herr Kollege Sichau.
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