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Aus dem Landtag
Reden im Plenum


104. Sitzung

 

Düsseldorf, Donnerstag, 20. November 2003

8    Gerichtsvollzieherwesen modernisieren - Berufsbild stärken und Rechtsdurchsetzung beschleunigen

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 13/4445

Vizepräsident Jan Söffing: ‑ Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Sichau das Wort.

Frank Sichau*) (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man merkt: Eine Delegation des Rechtsausschusses war in Kanada. Was ist in Kanada? ‑ In Kanada gibt es den verkammerten freiberuflichen Gerichtsvollzieher, der im Übrigen auch das Inkasso betreibt. Das ist ja auch in Ihrem Antrag angesprochen. Was das Factoring oder den Forderungseinzug betrifft, habe ich das so bisher noch nicht gefunden.

Bei diesem freiberuflichen Gerichtsvollzieherwesen ist allerdings festzustellen, dass nur eine Minderheit freiberuflich tätig ist. Die Mehrheit ist sozusagen bei den Freiberuflern angestellt. Sie haben eine gute IT-Ausstattung. Das ist sehr beeindruckend. Aber etwas erstaunt war ich doch zumindest über karge Büroverhältnisse ‑ außer zugegebenermaßen bei der Kammer.

Historisch wissen wir, dass einer der erfolgreichsten Justizminister dieses Landes, nämlich Josef Neuberger, Ende der 60er-Jahre einen vergleichbaren Vorschlag gemacht hat. Dieser Vorschlag ist in den Schubladen geblieben. Man hat ihn immer wieder einmal hervorgezogen, aber ist doch nicht da herangegangen.

In einem kurzen Gespräch mit Herrn Söffing wurde zu diesem Antrag, den Sie hier gerade vertreten haben, Herr Dr. Orth, gesagt, dass er im Wesentlichen einen Prüfauftrag darstelle. Dies ist ‑ wie ich dann beim Lesen des Antrags gesehen habe ‑ allerdings lediglich bei Punkt 8 der Fall, bei dem es um bestimmte Tätigkeitsfelder des Gerichtsvollziehers geht. Ansonsten wird hier ein Handlungsauftrag an die Regierung gegeben. Damit wird zugleich eine Reihe von Fragen auf

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geworfen, die wir im Rechtsausschuss vertiefen müssen.

Sie haben Recht: Der Gerichtsvollzieherdienst hat eine hohe Belastung, die auf lange Dauer kaum erträglich ist. Man kann darüber streiten, ob das Überlast bedeutet. Aber es ist in der Tat eine hohe Belastung. Wir haben deswegen auch Rechtspfleger im Gerichtsvollzieherdienst eingesetzt. Es wird mittelfristig sicher dazu kommen müssen, dass auch Justizfachangestellte gegebenenfalls mit einem entsprechenden Vorkurs für diese Aufgaben gewonnen werden müssen. Denn der mittlere Dienst ‑ das ist allen klar ‑ ist viel schlanker geworden. Insofern scheidet er als Rekrutierungsfaktor für das Gerichtsvollzieherwesen aus.

Ich darf allerdings auch daran erinnern, dass wir einen Vollstreckungsdienst bei Gerichten haben. Der wird rekrutiert aus Aufstiegsbeamten des einfachen Dienstes. Wir haben ein Vollstreckungswesen bei den Stadtkassen. Und was den Vollstreckungsdienst der Gerichte betrifft, so soll der als Aufstiegsdienst ja auch erhalten bleiben ‑ so zumindest bisher das Justizministerium ‑, weil das eine Perspektive für den einfachen Dienst darstellt.

Was die Belastung betrifft: Wir haben immer wieder über Zahlen geredet. Wir sind ja bei den Bewertungen der Arbeitsbelastungen inzwischen, was die Pensen betrifft, sehr vorsichtig geworden. Wir stellen das System um, weil das die reale Belastung nicht ganz so objektiv darstellt. Es ist völlig klar, dass aufgrund der Haushaltslage allerdings im Augenblick nicht mit einem höheren Personaleinsatz zu rechnen ist.

Ein wichtiger Punkt ist ‑ da komme ich möglicherweise auf Josef Neuberger zurück ‑, dass Sie schreiben, dass die Kosten in Zukunft der Verursacher tragen soll. Dabei ergibt sich das sehr wesentliche Problem, ob dann auch wirklich noch alle Forderungen vollstreckt werden, weil bestimmte Forderungen zumindest in einem bestimmten Verhältnis zu Aufwand und Ertrag stehen, beispielsweise Forderungen bis zu 150 €. Da fragt man sich: Lohnt sich das dann überhaupt noch?

Damit ist die Frage verknüpft, inwieweit der Staat in diesem Bereich eine gewisse Rechtssicherheit für nicht vermögende Bürger oder für kleinere Unternehmen darzustellen hat, indem er Vorhaltekosten finanziert. Sie haben die gerade, Herr Dr. Orth, mit ca. 45 Millionen € beziffert. Auch hierüber müssen wir weiter diskutieren. Ich habe an diesem Punkt den Eindruck, dass das mit eine der Ursachen dafür war, dass der Neuberger-Vorschlag letztlich in den Schubladen blieb.

Es gibt den weiteren Haken ‑ Sie sind darauf eingegangen ‑ der Amtshilfe bei unmittelbarem Zwang. Auch hier haben Sie gesagt, die Kosten seien vom Verursacher voll zu übernehmen. Das ist in der Tat eine wichtige Frage.

Sie sprechen dann die Insolvenzverwaltung an ‑ ich meine, es ist Punkt 8 ‑: Ohne in die nähere Prüfung eingetreten zu sein, habe ich den Eindruck, dass das grundsätzlich eine Nummer zu groß ist. Bislang waren Insolvenzverwalter Anwälte, die die Befähigung zum Richteramt, d. h. die Befähigung für den höheren Dienst haben.

(Dr. Robert Orth [FDP]: Jeder Steuerberater kann Insolvenzverwalter sein!)

Das scheint mir ein Stück zu groß, wobei es möglicherweise auch Bereiche gibt, die man differenzieren kann, sodass das jemand anderes machen kann.

Vollstreckung in Vermögensgegenstände, Durchführung der Beweissicherung sind Einzelfragen, die sicherlich geprüft werden können und über die wir weiter diskutieren werden.

Ich komme zum Berufsbild. Nach dem, was ich bisher gehört habe, ist dieser Beruf im Allgemeinen attraktiv, und zwar auch, weil Gerichtsvollzieher in letzter Zeit zusätzliche Aufgaben aus dem gehobenen Dienst, z. B. die eidesstattliche Versicherung, erhalten haben. Wenn man sich das klar macht ‑ es wird etwas vom gehobenen Dienst heruntergezont ‑, dann kann es doch logischerweise nicht so sein ‑ das ist zumindest unsere Auffassung ‑, dass man für die Gerichtsvollzieher eine Fachhochschulausbildung vorsieht und sie in den gehobenen Dienst einstuft. Dann hätte ich mir die vorherige Operation ersparen können. Das Ganze geht, wenn man die Kostenrefinanzierung durch den Verursacher bedenkt, nicht mehr nur mit mäßigen Gebührenerhöhungen, auch wenn sie Ausnahmeregelungen für den Beruf des Gerichtsvollziehers zugestehen.

Aktuell sind wir in der Situation, dass die Kostenpauschale für Gerichtsvollzieher für weitere Zeit sozusagen verlängert worden ist. Unsere Idee ist ‑ darüber müssen wir ebenfalls diskutieren ‑, dass die Vergütungsstruktur so, wie sie jetzt ist, weiterentwickelt werden sollte, dass insbesondere die Leistungsanreize verstärkt werden sollen und dass die Pauschale für die Personalkosten angehoben wird, sofern sozialversicherungspflichtige Teilzeitbeschäftigung, vergleichbar der Struktur, wie wir sie aus unseren eigenen Büros kennen, nachgewiesen wird. Manche Überlastungen ‑ das ist sicherlich ein bisschen provozierend gesagt ‑ erklären sich auch dadurch, dass Gerichtsvollzie

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her sozusagen ihre eigene Schreibkraft sind. Dies kann man sicherlich durch Anreize ein Stück weit überwinden.

Im Ausschuss werden wir weiter darüber diskutieren. Es gibt für unsere Begriffe eine Reihe von ernst zu nehmenden Punkten, die eigentlich dagegen sprechen. Aber wenn man das diskutieren will, dann stimmt man der Überweisung in den Ausschuss zu. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vizepräsident Jan Söffing: Vielen Dank, Herr Sichau.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt Ihnen die Überweisung des Antrags Drucksache 13/4445 an den Rechtsausschuss. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dieser Überweisungsempfehlung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.



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Frank Sichau, Mitglied im Landtag Nordrhein-Westfalen