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Aus dem Landtag
Reden im Plenum


Düsseldorf, Mittwoch, 24. April 2002
 


3   Aktuelle Stunde

     Thema: Qualitätsverbesserung und Effizienzsteigerung des Betreuungsrechts

     Antrag

     der Fraktion der SPD

     gemäß § 99 Abs. 2

     der Geschäftsordnung

Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 16. April 2002 gemäß § 99 Abs. 2 der Geschäftsordnung dazu eine Aussprache beantragt.

Vizepräsident Dr. Helmut Linssen:Für die SPD spricht jetzt Herr Kollege Sichau.

Frank Sichau (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht um das Betreuungsrecht, und Herr Orth hat die Frage gestellt: Warum heute?

Ich kann Ihnen, Herr Orth, nur sagen, dass dieses Thema im Arbeitskreis Recht der SPD-Fraktion immer wieder problemorientiert diskutiert wurde. Wir sind in Presse und Fernsehen in letzter Zeit immer wieder auf dieses Thema hingewiesen worden, und es ist nun nach zehn Jahren ein Druck erzeugt worden, sodass es nun an der Zeit ist, über eine Weiterentwicklung nachzudenken; für die Novellierung der Insolvenzordnung haben wir uns viel weniger Zeit genommen.

Ich darf auch unbescheiden darauf hinweisen, dass beispielsweise die westfälische Stadt Hamm in dieser Woche eine Diskussionswoche zum Betreuungsrecht unter dem Motto "Von der rechtlichen zur sozialen Betreuung" durchführt, und dabei werden viele Problem- und Konfliktfelder angesprochen. Diesem Haus steht es meiner Meinung nach gut an, das, was in nordrhein-westfälischen Gemeinden diskutiert wird, aufzunehmen und auch hier zu diskutieren.

Meine Kollegin Haußmann hat gerade ein Stichwort genannt, das ich ausgesprochen wichtig finde. Herr Biesenbach, Herr Henke und alle übrigen Redner haben es auch angesprochen, nämlich die so genannte Vorsorgevollmacht oder Vorsorgeverfügung.

Ich habe es erlebt, dass die Familie in der Regel aus allen Wolken fällt, wenn der Fall der Fälle eintritt - Unfall, Krankheit, Gebrechlichkeit - und es dann heißt, dass der Vormundschaftsrichter zuständig sei. An dieser Stelle kann ich nur sagen: Die qualitative Wahl - diese muss natürlich im Vorfeld dieser Situation vorgenommen werden - ist die so genannte Vorsorgeverfügung, die eben auf die Geschäftsunfähigkeit abstellt.

Ich gucke jetzt ins Rund. Auch im Vorstand der SPD-Fraktion habe ich gefragt: Wer von uns hat sie denn? Das Ergebnis wird ein Spiegelbild dessen sein, wie weit die Vorsorgevollmacht in der Bevölkerung verbreitet ist, obwohl sie nach meiner Auffassung ausgesprochen wichtig für jeden Bürger und jede Bürgerin ist.

Die Betreuungsstellen der Städte und Gemeinden halten Muster einer solchen Vorsorgeverfügung bereit, bestätigen die Unterschrift, wenn jemand eine Vorsorgevollmacht erteilt und - das gilt zumindest für meine Heimatstadt Herne - nehmen auch eine Kopie der Verfügung zu den Akten.

Insofern ist natürlich in der weiteren Entwicklung des Betreuungsrechts die Frage zu beantworten: Inwieweit brauchen wir in Deutschland - ähnlich wie bei der Organspende - eine Zentralstelle, um noch mehr Rechtssicherheit zu schaffen? Unter Umständen kann es sich nämlich als erforderlich erweisen, bei einer solchen Zentralstelle eine Abfrage zu starten.

Drei Unterschriften sind erforderlich, um durch eine solche Vorsorgeverfügung rechtskräftig die eigenen Angelegenheiten zu regeln, d. h., einen Vertrauten, den natürlich im Rahmen von Selbstbestimmung derjenige, der eine solche Vorsorgeverfügung unterschreibt, selber auswählt und bestimmt, zu ermächtigen, unter den definierten Voraussetzungen für den Verfügenden Erklärungen in Vermögensangelegenheiten, Erklärungen betreffend die medizinische Versorgung etc. abzugeben, also für alles, was ansonsten im Wege einer Vormundschaft oder Pflegschaft entschieden wird.

Herr Henke, Sie haben natürlich Recht: Über die Vorsorgevollmacht spricht man mit der Familie und vor allem dem Vollmachtempfänger vorher und unterschreibt sie nicht in der Hoffnung, im Ernstfall werde schon alles laufen.

Und auch, dass man Familienangehörige von Gesetzes wegen hier einbringt, bedeutet nicht, dass sie den Wunsch des Verfügenden, benannt zu werden, nicht auch ablehnen könnten. - Mit diesem Hinweis kann man Kritik begegnen.

Herr Biesenbach, der Umfang der rechtlichen Betreuung bedarf einer Klärung. Denn zur rechtlichen Betreuung gehört nicht, jemanden - im weitesten Sinne - zu pflegen, der in einem Pflegeheim lebt. Die Pflege ist sozusagen per Vertrag an dieses Pflegeheim abgegeben.

Wir wissen zudem alle, dass das Thema "Zuwendung" auch noch diskutiert werden muss. Das Gesetz sagt ganz eindeutig, dass der Berufsbetreuer das Recht hat, auf Staatskosten einmal im Monat einen Betreuten zu besuchen.

Das heißt: Wenn es um Begleitung und um Zuwendung geht, ist natürlich nach wie vor die Familie gefragt.

          (Vorsitz: Vizepräsident Jan Söffing)

In der Debatte ist darüber hinaus angesprochen worden, wer für die "Verwaltung" von Betreuung zuständig ist. - Diese Aufgabe nehmen derzeit die Gerichte wahr. Die Betreuungsstelle ist zuständig für die Auswahl, für den Vorschlag, ggf. auch für die Fort- und Weiterbildung der Betreuerinnen und Betreuer sowie für die Rekrutierung von ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuern. Hier ist in der Tat zu fragen, ob eine andere Betreuungsstelle nicht eher in der Lage ist, alle Dinge, die mit Betreuung, Abrechnung von Pauschalen und Kontrolle zu tun haben, zu erledigen.

Natürlich taucht immer wieder der Kostenaspekt auf. Darüber muss man offen und ehrlich diskutieren. Man kann nicht einfach wegen der Höhe der Kosten eine Verlagerung vornehmen.

In diesem Zusammenhang geht es auch um Effizienz. Wir haben ja die Erhöhungen bei jeder Haushaltsplanberatung fast entsetzt zur Kenntnis genommen. Herr Henke hat die Zahl genannt: 7.500 % Erhöhung in den letzten zehn Jahren. Allein dies ist Anlass genug, nachzufragen und zu reflektieren, wie es um die Qualität und um die Effektivität von Betreuung bestellt ist. - Danke schön.

          (Beifall bei SPD und GRÜNEN)

Vizepräsident Jan Söffing: Vielen Dank, Herr Sichau.

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Frank Sichau, Mitglied im Landtag Nordrhein-Westfalen