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123. Sitzung
Düsseldorf, Mittwoch 16. Juni 2004
12 "Warnschussarrest" im Jugendstrafrecht einführen
Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 13/5464
Präsident Ulrich Schmidt:Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Kollege Sichau
das Wort.
Frank Sichau (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was die Einigkeit der Landesregierung
betrifft, würde ich mich nicht allein auf Medienberichte verlassen. Ich nehme aber an, dass wir dazu
gleich etwas hören werden.
Zunächst stelle ich fest, dass die B-Bundesländer eine Verschärfung des Jugendstrafrechts in den
Bundesrat eingebracht haben. Bisher bemerkenswert, Herr Dr. Orth, ist für uns, dass Sie als
FDP-Regierungsbeteiligte in Niedersachsen längst nicht das ganze Paket der Schwesterfrakti
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on übernehmen, jedoch den Teil des Warnschusses. Oder kommt das andere vielleicht im weiteren
Verlauf der nächsten Sitzungen? Sie haben das ja gerade schon angedeutet. Sie haben sich sozusagen
aus dem Paket erst einmal etwas herausgepickt, nach dem Motto: Das ist der erste Schritt. Das
andere wird offensichtlich noch kommen. Insofern muss ich meine erste Bemerkung aufgrund Ihrer
Äußerungen relativieren.
Was die Zahlen betrifft, will ich lediglich feststellen, dass wir die Verurteilungsstatistik, die auch den
Anteil von Jugendlichen an der Gesamtbevölkerung gewichtet, für die brauchbarere Grundlage halten als
die Statistik, die Sie hier in Ihrem Antrag anführen.
Zur Sache selbst sind Sie uns bei Ihren Äußerungen bisher auch schuldig geblieben, welche Praxis
dieses denn empfiehlt. Schließlich haben wir ja sehr unterschiedliche Praktiker. So gibt es
beispielsweise den Jugendgerichtstag, der offensichtlich eine ganz andere Auffassung vertritt als Sie,
und den Deutschen Anwaltsverein, um nur zwei Institutionen zu nennen, die sogar von einer Hysterie
sprechen.
Die Reihe von Sanktions- und Reaktionsmöglichkeiten der Rechtsprechung ist nach dem
Jugendgerichtsgesetz vielfältig; zudem gibt es Kombisanktionen. Ich erinnere nur an die grobe
Systematik von Erziehungsmaßnahmen, Zuchtmitteln und Jugendstrafe. Sie sehen, dass im Vorfeld
eine ganze Reihe von Möglichkeiten dargestellt ist, die auch in Kombination erfolgen können.
Rechtssystematisch sind meines Erachtens die Zielgruppen für Bewährungsstrafe und für Arrest zu
unterscheiden; denn hier besteht nach unserer Auffassung ein erheblicher Unterschied. Auf der einen
Seite wird die Bewährungsstrafe in der Regel bei erheblicher Straffälligkeit und wesentlichen
Erziehungsdefiziten ausgesprochen. Hier soll durch Betreuungs- und Unterstützungsmaßnahmen der
Bewährungshilfe Abhilfe geschaffen werden.
Auf der anderen Seite gibt es den Arrest, der in der Regel bei Taten von allenfalls mittlerer Schwere und
bei nicht gravierenden Verhaltens- und Persönlichkeitsauffälligkeiten als so genannter "sharp short
shock" ausgesprochen wird. Dort ist das offensichtlich ganz anders. In diesem Zusammenhang muss
man auch noch beachten, dass ca. 40 % unseres Kurz- und Dauerarrestes wichtige Beugearreste sind,
die bei Abbruch anderer Erziehungsmaßnahmen eingeleitet werden.
Daraus kann man folgern - und das tun wir -, dass nicht zusammengebracht werden sollte, was nicht
zusammengehört. Das Ganze ist für unsere Begriffe rechtssystematisch nicht haltbar.
(Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD])
Nun einige Worte zum Jugendarrest: Die häufig angeführte Ineffizienz dieser Sanktionsform -? darüber
habe ich in den letzten zehn Jahren schon oft diskutiert - hängt nach Auffassung der SPD-Fraktion
damit zusammen, dass Projekte psychosozialen Trainings noch weiter ausgebaut werden müssen.
Dies ist offensichtlich noch ein Stück weit eine Handlungsoption - um nicht zu sagen: auch ein Stück
weit ein Handlungsdefizit.
Im Übrigen sind die Arrestanstalten randvoll. Wir bekommen eine Menge von Vollzugsbitten.
Wenngleich meines Wissens bislang keine Vollstreckungsverjährung eingetreten ist, wäre eine
Beschleunigung der Arrestvollstreckung sicherlich wünschenswert.
Was das eingangs angesprochene Paket der Gesetzesinitiative der B-Länder betrifft, ist aus unserer
Sicht nur die weitere Stärkung der Opferbelange konsensfähig. Dies gilt insbesondere dann, wenn kein
Täter-Opfer-Ausgleich erfolgt.
Besonders positiv ist die Strukturentwicklung im Bereich der Düsseldorfer Polizei zu vermerken. Hier
soll bei der nachgehenden Ermittlungsarbeit im Hinblick auf die wichtige Bedeutung des Sozialraumes
das Tatort- durch das Wohnortprinzip abgelöst werden. Außerdem ist auf das Diversionsverfahren im
Vorfeld - beispielsweise in Remscheid; wir haben in diesem Hause darüber diskutiert - besonders
hinzuweisen.
Aus all diesen Gründen bitten wir um Ablehnung des FDP-Antrages. - Herzlichen Dank.
(Beifall bei SPD und GRÜNEN)
Präsident Ulrich Schmidt: Danke schön, Kollege Sichau.
Meine Damen und Herren, weitere
Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir sind am Schluss der Beratung.
Wir kommen zur Abstimmung. Die Antragstellerin hat direkte Abstimmung beantragt.
(Edgar Moron [SPD]: Lieber den Antrag zurückziehen!)
Wir stimmen ab über den Inhalt des Antrags Drucksache 13/5464. Wer ist für den Antrag? - Wer ist
dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Damit ist der Antrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von CDU und FDP abgelehnt worden.
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