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Aus dem Landtag
Reden im Plenum


12. Sitzung

Düsseldorf, Mittwoch, 9. November 2005

3 Aktuelle Stunde
Thema: "Soziale Stadt" ist unverzichtbar: gegen Ghettobildung, für aktive Integration!
Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
gemäß § 90 Abs. 2 GeschO
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aussprache über das genannte Thema beantragt.
Vizepräsidentin Angela Freimuth: Als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD der Kollege Sichau das Wort.


Frank Sichau (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich komme aus einer Stadt, in der in einigen Bereichen Maßnahmen des Projektes "Soziale Stadt" durchgeführt werden. In Herne sind die Gebiete Bickern und Unser Fritz - Unser Fritz benannt nach dem Bergwerksgründer Fritz Grillo - solche Bereiche. Dort hat sich in der Tat eine Menge entwickelt. Deswegen will ich auf die These des ebenfalls Herner Bürgers Volker Eichler nicht weiter eingehen; sie sollte an einer anderen Stelle vertieft diskutiert werden.
Eins ist im Zusammenhang mit der "Sozialen Stadt" jedoch klar, und das ist hier in sehr unterschiedlicher Akzentuierung angesprochen worden. Bei Herrn Lindner bin ich mir nicht ganz sicher: Meint er die "soziale Stadt", oder will er sie sozusagen wieder in unterschiedliche Fachbereiche zerlegen? Denn in der Weiterentwicklungsdiskussion, die der Bundestag im Juni 2005 letztlich in einen Beschluss gefasst hat, wird - wie auch in vielen Besprechungen - immer wieder gesagt: Hochbaumaßnahmen wie Bestandsmodernisierung, Tiefbaumaßnahmen, Begrünungen sind notwendig, aber nicht hinreichend.


Integrierte Projekte für die Menschen müssen dazukommen und sind dies auch bereits: in Bickern und Unser Fritz in der Stadt Herne Sozialarbeit an der Hauptschule Königin-Luise. Über Sprachkurse ist gerade gesprochen worden - ich wollte eigentlich nur ein paar Beispiele nennen -, Kurse für Frauen mit Migrationshintergrund bis zum Sport, berufliche Qualifizierung und Beschäftigung - ganz wichtig - auch im Rahmen einer sozialen Stadt - das ist unser Thema heute Mittag -, Beratung und vor allen Dingen auch Organisation von Begegnung.
Insgesamt weist unser integriertes Handlungskonzept zehn Handlungsfelder auf. Es ist gut - nebenbei gesagt -, dass auch die RAA ihren Sitz in einem dieser Wohnbereiche hat. Was die Jugendarbeit betrifft, Herr Lindner: Wir haben dies auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Was Ju


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gendheime betraf, war die Intention, die Mittel gezielter einzusetzen.
(Christian Lindner [FDP]: Nein!)

Wenn Sie trotz geringerer Mittel diese noch weiter streuen können, umso besser. Nur, wenn man wenig Geld hat, muss man es gezielter einsetzen. Das ist auch von diesem Pult aus von den zuständigen Sprechern und Ministern so gesagt worden.


(Christian Lindner [FDP]: Das ist falsch!)

Aber das können wir weiter diskutieren.
Das Ganze hat - das ist offensichtlich auch ein wesentlicher Punkt der Beantragung dieser Aktuellen Stunde - auch einen finanzwirtschaftlichen Aspekt. Das Land muss seinen Anteil weiter finanzieren. Dem kommt für unsere Begriffe eine ausgesprochen hohe Priorität zu.
Wenn es um Finanzen und verschiedene Aspekte geht, kommt auch der Rechtspolitiker - Sie wissen, ich bin rechtspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion - ins Spiel. Wir reden viel von Kriminalprävention. Wir sagen - so beispielsweise Fritz Behrens -: Interventionsmaßnahmen und vor allem Strafen sind die Ultima Ratio. Die Justizministerin hat einen Arbeitskreis zur Prävention organisiert.
Die Jugendpolitik - das ist mein Eindruck - scheint jedoch eher im Begriff, im Ministerium für Generationen verloren gegangen zu sein, wie die Verbindung zur Schulpolitik wieder gekappt zu sein scheint.


Eins ist aber ausgesprochen klar: Hier wird mit Ordnungspartnerschaften und kriminalpräventiven Räten bereits deutlich und wirksam gehandelt. Wenn Herr Schulte sagt, dass es noch Schwachstellen gibt, müssen wir diese genau benennen, um auch hier dem Weiterentwicklungsauftrag des Bundestagsbeschlusses Rechnung zu tragen.
Diese Maßnahmen sind gut und wichtig, denn sie verhindern die von allen nicht gewünschten, unerwünschten Folgen. Die Finanzmittel sind deshalb dafür zielführend eingesetzt, auch wenn die Jugendkriminalität nicht gestiegen und die Jugendgewaltkriminalität leicht gesunken ist. Hier ist jeder Euro auch jenseits des Kerns gut angelegt und unverzichtbar. So würde ich das formulieren, Herr Schulte, und nicht nur: Es ist im Kern unverzichtbar.


Ich schließe mit einem Zitat aus dem am kommenden Freitag erscheinenden Buch "Tauben, Texte und Altäre". Eine Lehrerin für Deutsch und Philosophie an der Gesamtschule Wanne-Eickel in Herne mit dem bemerkenswerten Namen Hatice Aksoy-Woinek schreibt dort unter der Zwischenüberschrift "Interkulturelle Potenziale mit Risiken und Nebenwirkungen der Jahre 1988 bis 1998" - ich zitiere mit Genehmigung der Präsidentin -:
Die Freundinnen meiner Mutter kamen an jenen Vormittagen auch ins Café. Ja, türkische Frauen mit Kopftuch in einem Café. Hier in Herne-Sodingen galten eben einige Regeln, Normen und Gesetze anders.
Dies ist ein einfühlsamer, konstruktiv optimistischer Satz in einem ausgesprochen lesenswerten Artikel. Es bleibt aber dabei: Die "Soziale Stadt" ist weiterhin absolut förderungswürdig. Es ist der Hauptsinn dieser Aktuellen Stunde, nicht nur darzustellen, dass es um eine gute Sache geht, sondern auch um eine integrierte Sache, die der weiteren finanzwirtschaftlichen Absicherung bedarf. - Danke schön.
(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Sichau.

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Frank Sichau, Mitglied im Landtag Nordrhein-Westfalen